Pflegegrad 4: Leistungen, Antrag und Unterstützung
In der Pflege von Angehörigen ist es wichtig, über alle verfügbaren Leistungen und Bedingungen informiert zu sein, um die bestmögliche Unterstützung zu gewährleisten. Die Einstufung in den Pflegegrad 4 stellt einen entscheidenden Schritt in diesem Prozess dar. Hier ist eine Zusammenfassung aller relevanten Informationen:
Was genau ist der Pflegegrad 4?
Der Pflegegrad 4 wird Personen zuerkannt, deren Selbstständigkeit schwer beeinträchtigt ist.
Pflegebedürftige müssen bestimmte Beeinträchtigungen in verschiedenen Bereichen aufweisen, die ihre Selbstständigkeit erheblich beeinträchtigen. Diese Beeinträchtigungen werden anhand eines Bewertungssystems ermittelt, das als "Neues Begutachtungsassessment" (NBA) bekannt ist. Für Pflegegrad 4 werden folgende Einschränkungen betrachtet:
Mobilität:
- Kann die Person sich ohne fremde Hilfe fortbewegen?
- Ist sie in der Lage, ihre Körperhaltung selbstständig zu verändern?
- Wie gut kann sie sich im Raum bewegen?
Kognitive und kommunikative Fähigkeiten:
- Ist die Person räumlich und zeitlich orientiert?
- Kann sie selbstständig Entscheidungen treffen?
- Kann sie ihre Bedürfnisse angemessen kommunizieren?
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen:
- Zeigt die Person regelmäßig psychische Probleme?
- Wird dafür professionelle Hilfe in Anspruch genommen?
Selbstversorgung:
- Kann die Person sich selbstständig waschen, kleiden und pflegen?
- Wie gut kann sie alltägliche Aufgaben ohne Hilfe bewältigen?
Krankheits- oder therapiebedingte Belastungen:
- Erfährt die Person durch ihre Krankheit oder Therapie besondere Belastungen?
- Ist sie in der Lage, diese selbstständig zu bewältigen?
Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte:
- Kann die Person ihren Alltag selbstständig organisieren?
- Pflegt sie regelmäßig soziale Kontakte und ist aktiv am sozialen Leben beteiligt?
Um den Pflegegrad 4 zu erhalten, muss der Pflegebedürftige in den meisten dieser Bereiche erhebliche Beeinträchtigungen aufweisen. Die genaue Einstufung erfolgt durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) oder durch das Unternehmen Medicproof bei Privatversicherten, basierend auf den Ergebnissen des Begutachtungsverfahrens.
Pflegegrad 4 anstatt Pflegestufe 3
Seit 2017 gibt es Pflegegrade anstelle von Pflegestufen. . Während bei dem Konzept der Pflegestufen vorwiegend der zeitliche Aufwand bewertet wurde, die eine zu pflegende Person in Anspruch nimmt, liegt bei Einstufung in Pflegegrade der Fokus auf der Selbstständigkeit der Pflegebedürftigen. Personen mit den alten Pflegestufen wurden automatisch in die entsprechenden Pflegegrade überführt. Der Pflegegrad 4 entspricht dabei in den meisten Fällen den früheren Pflegestufen 2 und 3.
Leistungen bei Pflegegrad 4
Pflegegeld
Für die häusliche Pflege durch Angehörige steht ein monatliches Pflegegeld in Höhe von 800 Euro zur Verfügung. Dieser Betrag wird durch das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz regelmäßig angepasst.
Entlastungsbeitrag
Ein Entlastungsbeitrag von 131 Euro monatlich dient der Unterstützung bei Betreuungs- und Entlastungsleistungen.
Pflegesachleistungen
Ambulante Pflegedienste können Pflegesachleistungen in Anspruch nehmen. Der monatliche Betrag liegt bei 1.859 Euro.
Kurzzeitpflege
Für professionelle Kurzzeitpflege in einem Pflegeheim stehen jährlich 1.854 Euro zur Verfügung. Bei Nichtinanspruchnahme der Verhinderungspflege kann dieser Betrag auf bis zu 3.386 Euro aufgestockt werden.
Verhinderungspflege
Für bis zu sechs Wochen im Jahr kann Verhinderungspflege in Anspruch genommen werden. Der Betrag liegt bei 1.685 Euro jährlich und kann um 806 Euro jährlich aufgestockt werden, wenn die Kurzzeitpflege nicht in Anspruch genommen wird.
Gemeinsamer Jahresbetrag für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege
Ab Juli 2025 wird ein gemeinsamer Jahresbetrag für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege von 3.539 Euro eingeführt, um die Regelungen zu vereinfachen.
Tagespflege
Bei häuslicher Pflege kann ein Zuschuss für teilstationäre Sachleistungen von bis zu 1.612 Euro monatlich geltend gemacht werden.
Stationäre Pflege
Für vollstationäre Pflege stehen 1.775 Euro monatlich zur Verfügung.
Hilfsmittel, Beratungen, Zuschüsse für Wohnanpassung und sonstige Leistungen
Zusätzlich zu den genannten Leistungen stehen Hilfsmittel, Beratungen, Zuschüsse für Wohnanpassung und weitere Unterstützungen zur Verfügung.
Leistungen bei Pflegegrad 4 | 2023 | 2024 |
---|---|---|
Pflegegeld (monatlich) | 728 € | 800 € |
Pflegesachleistungen (monatlich) | 1.693 € | 1.859 € |
Entlastungsbetrag (monatlich) | 125 € | 131 € |
Vollstationäre Pflege (monatlich) | 1.775 € | 1.775 € |
Teilstationäre Pflege (monatlich) | 1.612 € | 1.612 € |
Kurzzeitpflege (jährlich) | 1.774 € | 1.854 € |
Verhinderungspflege (jährlich) | 1.612 € + (806 €) | 1.685 € + (806 €) |
Pflegegrad 4 beantragen
Der Pflegegrad 4 kann telefonisch oder schriftlich bei der an die Krankenkasse angeschlossenen Pflegekasse beantragt werden. Ein Gutachter des MDK oder von Medicproof wird die Einstufung vornehmen.
Informieren Sie sich bei Bedarf auch bei der Pflegekasse oder anderen Fachstellen, um individuelle Fragen zu klären.
Pflege zuhause oder in der Pflegeeinrichtung?
Patienten mit Pflegegrad 4 können grundsätzlich sowohl zuhause betreut werden als auch in einer Pflegeeinrichtung untergebracht werden. Die Entscheidung darüber hängt von verschiedenen Faktoren ab und sollte individuell getroffen werden, unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Pflegebedürftigen sowie der Ressourcen und Möglichkeiten der Familie oder der Betreuungspersonen. Hier sind einige Überlegungen, die bei der Entscheidung helfen können:
Betreuung zuhause:
Vieles spricht dafür, pflegebedürftige Patienten zuhause zu betreuen.
- Vertrautes Umfeld: Das Verbleiben in den eigenen vier Wänden kann dem Pflegebedürftigen ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermitteln und ihm dabei helfen, sich besser zu fühlen.
- Individuelle Betreuung: Zuhause kann die Pflege individuell auf die Bedürfnisse des Pflegebedürftigen zugeschnitten werden, und es besteht die Möglichkeit, eine persönliche Beziehung zu den Betreuungspersonen aufzubauen.
- Familiäre Unterstützung: Die Pflege zuhause ermöglicht es den Angehörigen, aktiv an der Betreuung teilzunehmen und eine wichtige Rolle im Leben des Pflegebedürftigen zu spielen.
- Technologische Unterstützung: Durch den Einsatz von Technologie und modernen Hilfsmitteln kann die Pflege zuhause erleichtert werden, beispielsweise durch Hausnotrufsysteme oder Telemedizinlösungen.
Pflegeeinrichtung:
In manchen Fällen ist eine Pflege zuhause nicht möglich, dann sind Pflegeeinrichtungen eine Alternative, allerdings auch kostspielig.
- Professionelle Versorgung: In Pflegeeinrichtungen stehen rund um die Uhr qualifizierte Pflegekräfte zur Verfügung, die eine intensive Betreuung und medizinische Versorgung gewährleisten können.
- Soziale Interaktion: In einer Pflegeeinrichtung haben Pflegebedürftige die Möglichkeit, an gemeinsamen Aktivitäten teilzunehmen und soziale Kontakte zu knüpfen, was zur geistigen und emotionalen Gesundheit beitragen kann.
- Entlastung der Angehörigen: Die Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung kann die Angehörigen entlasten und es ihnen ermöglichen, sich auf ihre eigenen Bedürfnisse zu konzentrieren und Zeit für sich selbst zu nehmen.
- Spezialisierte Pflege: In Pflegeeinrichtungen stehen oft spezialisierte Einrichtungen und Fachkräfte zur Verfügung, die auf die Bedürfnisse von Pflegebedürftigen mit verschiedenen Krankheitsbildern eingehen können.
Letztendlich sollte die Entscheidung für oder gegen eine Pflegeeinrichtung auf Basis einer gründlichen Abwägung aller relevanten Faktoren getroffen werden. Es kann auch eine Kombination aus häuslicher Pflege und zeitweiser Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung in Betracht gezogen werden, je nach den sich ändernden Bedürfnissen des Pflegebedürftigen und der Familie.
Häusliche Pflege von Patienten mit Pflegegrad 4
Die Pflege von Patienten mit Pflegegrad 4 zuhause kann durch verschiedene Maßnahmen gewährleistet werden, wobei die 24-Stunden-Pflege eine Option ist, um eine kontinuierliche Betreuung sicherzustellen.
Pflege durch Angehörige:
Angehörige können eine wichtige Rolle bei der Pflege von Patienten mit Pflegegrad 4 spielen. Sie können sich um die täglichen Bedürfnisse des Pflegebedürftigen kümmern, wie zum Beispiel bei der Körperpflege, beim Anziehen, beim Essen, bei der Mobilität und bei der Medikamentenverabreichung.
Unterstützung durch ambulante Pflegedienste:
Ambulante Pflegedienste können bei der Versorgung von Patienten mit Pflegegrad 4 zuhause helfen. Sie können professionelle Pflegekräfte zur Verfügung stellen, die den Pflegebedürftigen bei der Grundpflege unterstützen und bei Bedarf auch medizinische Leistungen erbringen.
Einsatz von 24-Stunden-Pflegekräften:
Die 24-Stunden-Pflege beinhaltet die kontinuierliche Betreuung und Pflege des Pflegebedürftigen durch speziell geschulte Pflegekräfte, die im Haus des Patienten leben und rund um die Uhr verfügbar sind. Diese Pflegekräfte können bei allen täglichen Aufgaben und Bedürfnissen des Pflegebedürftigen helfen und ihm sowohl körperlich als auch emotionalen Beistand leisten.
Die Wahl der geeigneten Pflegeoption hängt von den individuellen Bedürfnissen und Vorlieben des Pflegebedürftigen sowie von den Möglichkeiten der Familie und des sozialen Umfelds ab. Es ist für Patienten wie Angehörige wichtig, eine Pflegesituation zu schaffen, die sowohl für den Pflegebedürftigen als auch für die Pflegenden angemessen ist und allen eine möglichst hohe Lebensqualität gewährleistet.
Interview mit Ronald Lietzke
Ronald Lietzke ist exam. Gesundheits- und Krankenpfleger für Leitungsfunktionen und Pflegeberater nach §45 und §7a SGB XI und QMB im Gesundheitswesen.
- Welches sind typische Einschränkungen, denen Patienten mit Pflegegrad 4 unterliegen?
- Patienten mit Pflegegrad 4 können unter Demenz, Altersschwäche, Parkinson-Erkrankung, überwiegender Bettlägerigkeit und COPD leiden. Diese Einschränkungen beeinträchtigen ihre kognitive Funktion, Mobilität, Atmung und Selbstständigkeit erheblich, was ihre Lebensqualität stark beeinflusst und intensive Pflege und Unterstützung erfordert.
- Welche typischen Herausforderungen für Angehörige treten auf, wenn sie einen Verwandten mit Pflegegrad 4 betreuen?
- In vielen Fällen wird ein umfassender Pflegedienst in die Versorgung integriert, der sowohl Behandlungspflege als auch Aspekte der Körperpflege übernimmt. Es ist entscheidend, klar zu unterscheiden, welche Aufgaben von welchen Akteuren übernommen werden. Aus diesem Grund ist eine effektive Kommunikation und klare Aufgabenverteilung im lokalen Pflegeteam unerlässlich.
- Wie häufig werden Patienten mit Pflegegrad 4 durch 24 Stunden Betreuung versorgt? Stellt diese Gruppe die Ausnahme oder eher die Regel dar?
- Pflegegrad 4 und auch Pflegegrad 5 haben sehr betreuungsintensive Patienten, die häufig stationär betreut werden müssen. Bei einer guten Abstimmung der beteiligten Helfer ist in manchen Betreuungssituationen auch eine Versorgung zu Hause durch eine sogenannte 24 Stunden Betreuung möglich. Hierbei ist immer die individuelle Versorgungssituation vor Ort zu beachten: Sind alle Pflegehilfsmittel vorhanden? Kommt ein vollumfänglicher Pflegedienst nach §71 SGB XI, wenn ja welche Aufgaben übernimmt dieser und was macht die BP? Bei der Versorgung von Patienten mit PG 4 und PG5 ist das Zusammenwirken der Akteure zu Hause besonders wichtig, es benötigt viel Kommunikation und Abstimmung. Auch eine entsprechende Akzeptanz der HP und BP sind Voraussetzungen.
- Gibt bei Patienten mit Pflegegrad 4 etwas, das hinsichtlich einer 24 Stunden Betreuung besonders beachtet werden sollte?
- Es liegt eine schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit, es liegt auch oftmals eine Bettlägerigkeit vor, die Betreuungskraft muss genaustens über die Situation vor Ort informiert werden.
- Wie lange dauert es normalerweise, bis ein Pflegegrad 4 bewilligt wird?
- Meiner Erfahrung nach dauert es etwa 3-5 Wochen bis ein Pflegegrad bewilligt wird.
- Wie häufig benötigen Familien Unterstützung bei der Beantragung von Pflegegrad 4? Gibt es bestimmte Schwierigkeiten, die häufiger auftreten?
- Oftmals liegt bereits ein Pflegegrad vor. Nur in seltenen Fällen wird ein Pflegegrad 4 adhoc bewilligt. Hierbei liegt schon eine erhebliche Einschränkung in der Eigenversorgung vor, sodass in der Vergangenheit schon meist ein niedriger PG vorlag. Somit erfolgen meist Höherstufungen auf den PG4. Eine Höherstufung impliziert in der Regel keine weiteren Schwierigkeiten oder bedarf einer besonderen Unterstützung.
- Können Betroffene selbst herausfinden, ob ihre Angehörigen Anspruch auf Pflegegrad 4 haben?
- Ja, es gibt Programme, mit denen man einen ersten Eindruck gewinnen kann, ob eine Beantragung Sinn macht, z.B. https://meine.pflege.de/service/pflegegradrechner.
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Insgesamt ist festzustellen, dass jede eintretende Veränderung in der Selbstversorgung eine Beantragung eines Pflegegrades rechtfertigt. Diese ist kostenlos. So steht z.B. im Pflegegrad 1 kein Pflegegeld zur Verfügung, jedoch kann der 131€ Entlastungsbetrag jeden Monat beansprucht werden, der für Alltagsunterstützung genutzt werden kann. Dies kann zu Entlastungen der Pflegebedürftigen Person und der Angehörigen führen.
- Was können Familien tun, wenn sie mit der Pflegegrad-Einstufung der Pflegekasse nicht einverstanden sind?
- Hier sollten die Familien einen Widerspruch formulieren. Hilfestellung geben z.B. Pflegeberater und Pflegestützpunkte, die es in allen Bundesländern gibt:
zqp.de oder kontaktieren Sie uns. Wir helfen Ihnen gerne weiter.