Wie sieht der Demenzball Ichó aus?
Ichó ist etwa so groß wie ein Handball und mit einer milchig weißen, muschelähnlichen Oberfläche ausgestattet. Sobald Ichó berührt wird, beginnt er zu leben und fängt an farbig zu leuchten und Klänge oder Musik abzuspielen.
Ichó registriert alle äußeren Einflüsse, also ob er gefangen, geworfen, gestreichelt oder einfach nur gehalten wird. Ichó reagiert mit farbigem Leuchten, Vibration, Klang oder Musik. Sämtliche Reaktionen lassen sich schnell auf die Bedürfnisse des Nutzers anpassen, sodass die Lieblingsmusik oder Märchen abgespielt werden können.
Eigentlich wollten die jungen Entwickler nur wieder mehr Kontakt zu den eigenen Großeltern aufbauen. Als plötzlich Roy Black aus der kleinen leuchtenden Kugel ertönte, begannen die Augen von Steffen Preuß’ Großmutter zu leuchten und sie musste lachen.
Was bedeutet Ichó?
Ichó ist griechisch und bedeutet übersetzt Echo oder Klang. Der Name hat aber noch eine tiefere Bedeutung: Folgt man der griechischen Mythologie war Ichó quasi die erste kognitiv beeinträchtige Person. Eine Muse, die von Hera verflucht wurde nur noch das wiedergeben zu können, was als letzte Worte an sie gerichtet wurde. Die drei Studenten empfanden es als schöne Idee, Ichó die Kraft der Kommunikation wieder zurück zu geben.
Wirkungsprinzip, Evaluation und Einsatzgebiet
Das Wirkungsprinzip hinter Ichó basiert auf vielen vorhandenen Studien sowie Aktivierungs- und Fördermethoden, die bereits bei kognitiven Erkrankungen und insbesondere bei Demenz angewendet werden. Durch eine multisensuale Stimulation werden Kognition und Motorik des Nutzers gleichzeitig gefördert. Musik- und Rhythmustherapie mit Einbeziehen der Biographie des Nutzers, zeigt eine hohe Ansprache und Aktivierung. Die basale Stimulation ist ein Weg, nonverbale Kommunikation aufzubauen und über Körper- und Bewegungserfahrungen die Betroffenen anzuregen.
Auf dieser Basis entwickelten die Studenten erste einfache Anwendungen und begannen diese direkt in verschiedenen Einrichtungen und Einsatzgebieten zu testen, wie zum Beispiel in der Tagespflege und bei Bewohnern einer vollstationären Pflegeeinrichtung. Besonders wichtig war der kontinuierliche Austausch mit Therapeuten, Pflegefachkräften und Betreuern. Nur durch diesen Prozess ließ sich ein Werkzeug zur Unterstützung in der Pflege und Betreuung entwickeln.
So wird Ichó in der Tagespflege derzeit für Gruppen- und Einzelangebote genutzt. Wechselnde Programme sorgen für Abwechslung und immer neue Eindrücke. Wird zum Beispiel das Tier-Memory gespielt, spielt die Kugel beim Weiterreichen immer einen anderen Tierlaut ab. Die Kuh, das Pferd, die Hühner, der Hund, aber plötzlich ertönt ein Elefant oder die Affen aus dem Zoo. Dies ist manchmal überhaupt nicht einfach zuzuordnen und sorgt für reichlich Gesprächsbedarf.
Oder es werden gleich mehrere Ichó Kugeln genutzt und auf jeder Kugel ist ein anderes Instrument abgebildet. Je nachdem wie Ichó bewegt oder berührt wird, wird auch die Trommel, die Gitarre, die Flöte oder das Klavier anders gespielt. Was sich zuerst nach sehr viel Krach anhört, kann durch eine spezielle Anwendung von Ichó angeglichen und zu einer Harmonie gebracht werden. Jeder musiziert mit, jedes Stück ist einzigartig und hört sich auch noch gut an!
Auch das Erzählen von Märchen ist möglich. Dann ist Ichó zum Beispiel die goldene Kugel des Froschkönigs und muss von unten aus dem Brunnen hochgeholt werden. Wird diese Handlung ausgeführt, erkennt dies Ichó, beginnt golden zu leuchten und das Märchen wird weitererzählt. Entweder über die Kugel, den Therapeuten oder über die aufgezeichnete Stimme von Angehörigen. Im Bewohnerbereich vollstationärer Einrichtungen kann Ichó unterstützend bei herausforderndem Verhalten eingesetzt werden. Lieder wie „hoch auf dem gelben Wagen“ helfen Betroffenen aus Stresssituationen geführt zu werden, verschieben die Aufmerksamkeit und können somit beruhigen und aufheitern.
Forschung, aktueller Stand und Ausblick
Es gibt viele Einsatzmöglichkeiten für Ichó. Derzeit wird Ichó in integrativen Kindergärten, bei Kindern und Erwachsenen mit lern- und geistiger Behinderung, Menschen mit Autismus, Menschen mit Depressionen sowie im Reha-Bereich getestet. Spannend für die Forschung sind vor allem die Daten, welche bei Einwilligung und Freigabe aufgezeichnet werden können. Durch die verschiedenen Sensoren lassen sich Reaktionszeiten, Tremores, wie Bewegungen geführt werden etc. dokumentieren. Dies offenbart neue Einblicke in das Feld Demenz und kognitive Erkrankungen.
Aus den jungen Entwicklern sind nun Gründer geworden. Dieses Projekt sollte nicht in der Schublade der Hochschule verschwinden, sondern wird nun als Startup fortgeführt. Gute Ideen bleiben nicht unentdeckt und somit konnte das Startup Ichó mit Hilfe des Social Impact Lab Duisburg und Franz Haniel einige Wettbewerbe für sich entscheiden.
2017 machte Ichó den 1. Platz beim „Wittener Preis für Gesundheitsvisionäre“, stellte die Prototypen bereits in einer internationalen Ausstellung im John F. Kennedy Center in Washington D.C. aus und wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie als Repräsentanten für Deutschland für den EU-Wettbewerb „Ideas from Europe“ nominiert. Im April 2018 stehen sie im Finale und dürfen sich jetzt schon zu den 10 innovativsten Startups in ganz Europa zählen.
Bei all dem Trubel wissen die Gründer aber eins: für wen sie angefangen haben Ichó zu entwickeln, die eigenen Großeltern. Daher stehen bis zur Serienproduktion und Markteinführung Ende 2018 noch viele Tests und Evaluationen an, damit Ichó kein technisches Gimmick ist, sondern gut in der Praxis angewandt werden kann.
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