Das Thema Pflege in den Wahlprogrammen

Das Thema Pflege bewegt die Menschen: Nach einer repräsentativen Befragung des Zentrums für Qualität in der der Pflege spielt für fast die Hälfte (43%) der Deutschen das Thema Pflege und Versorgung im Alter bei ihrer Wahlentscheidung eine sehr wichtige Rolle. Bei den älteren Menschen über 50 Jahre gilt dies sogar für 53%. Doch welche Standpunkte vertreten die Parteien zur Bundestagswahl in diesem Lebensbereich? Wo sehen sie Handlungsbedarf? Was versprechen sie? Wir haben die Wahlprogramme der folgenden Parteien ausgewertet und stellen Ihnen die Kernaussagen in vier pflegerelevanten Bereichen vor.

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Versorgung im Alter und bei Pflegebedürftigkeit

CDU/ CSU

"Kinder pflegebedürftiger Eltern und sonstiger Angehöriger, zu deren Unterhalt sie verpflichtet sind, wollen wir besser vor einer Überforderung schützen. Ein Rückgriff auf Kinder soll erst ab einem Einkommen von 100.000 Euro erfolgen."

SPD

"Damit ältere Menschen lange aktiv sein können, unterstützen wir flächendeckende und miteinander vernetzte Angebote für Gesundheit, Pflege und haushaltsnahe Dienstleistungen – legal, für alle zugänglich und bezahlbar. Hier braucht es eine gemeinsame Anstrengung von Bund, Ländern, Kommunen und den Sozialversicherungen. Würdige Lebensbedingungen müssen für alle Lebensmodelle und Wohnformen sichergestellt werden. Dafür werden wir den Umbau zu barrierefreiem Wohnraum stärker unterstützen und das Programm „Altersgerecht umbauen“ fortsetzen und gemeinschaftliche Wohnformen mit einem Programm „Gemeinschaftlich selbstbestimmt Wohnen“ unterstützen. (...)Als wohnortnahe Anlaufstellen spielen Pflegestützpunkte eine wichtige Rolle. Hier werden pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen beraten, unterstützt und bekommen bei der Organisation der Pflege die Hilfe, die sie brauchen. Ihre Unterstützung für pflegebedürftige Menschen und die Angehörigen werden wir ausbauen."

Bündnis 90 / Die Grünen

"Gesundheit und Pflege sind Teil der Daseinsvorsorge. (…) Ein verlässliches Wohn- und Pflegeangebot, bei Bedarf auch „rund um die Uhr“, ist immer stärker gefragt. Statt weiterer Großeinrichtungen setzen wir dabei auf einen umfassenden Ausbau an ambulanten Wohn- und Pflegeformen. Notwendig sind auch Tages, Nacht- und Kurzzeitpflege sowie Einrichtungen wie Quartierstützpunkte oder Nachbarschaftszentren, die auch „rund um die Uhr“ eine Pflege und Unterstützung sichern. (...) Ebenso wollen wir die Wohn- und Pflegesituation für die Bewohnerinnen und Bewohner in den bestehenden Einrichtungen deutlich verbessern. Beim Aufbau von Hilfenetzen wollen wir die Kommunen unterstützen und ihnen mehr Rechte geben, selbst aktiv zu werden. Wir wollen, dass die Angebote vor Ort Familien entlasten und dass auch Menschen mit kleiner Rente die Hilfe bekommen, die sie brauchen. Damit pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen das für sie passende Angebot finden, schaffen wir einen Rechtsanspruch auf unabhängige Beratung durch Fallmanager*innen. (...) Zu einer guten Pflege gehört auch, Sterbenden ein Lebensende in Würde zu ermöglichen. Einen wichtigen Beitrag hierfür leisten die Hospizbewegung und die Palliativversorgung, deren Rahmenbedingungen wir verbessern wollen."

Die Linke

"Wer schwer erkrankt oder im Alter gebrechlich wird, braucht Pflege. Doch nicht an jedem Wohnort und nicht für jeden Menschen mit Pflegebedarf stehen gute Pflegeleistungen zur Verfügung. (...) Wir stellen uns gegen eine Pflegepolitik, die auf Wettbewerbsdruck und Profite für wenige setzt. Pflege ist zu einem Markt geworden, private Unternehmen machen Gewinne – auf Kosten der Menschen mit Pflegebedarf und der Beschäftigten in der Pflege. (...) DIE LINKE will einen grundlegenden Wandel: Gute Pflege soll ein verbindliches Recht für alle werden. (...) Jede und jeder muss selbstbestimmt entscheiden können, wo und von wem sie oder er welche Pflege in Anspruch nimmt. (...) Keine Pflegeleistung darf aus Kostengründen verweigert werden. Das gilt auch für die Entscheidung über den Sterbeort. Für einen Urlaub in EU-Staaten sollen die Kosten für Pflegesachleistungen, Verhinderungspflege und Pflegehilfsmittel für bis zu sechs Wochen durch die gesetzliche Pflegeversicherung übernommen werden."

FDP

"Wir Freie Demokraten wollen die Palliativmedizin und das Hospizwesen weiter ausbauen, um den Menschen individuelle Möglichkeiten anzubieten, am Ende des Lebens einen selbstbestimmten Weg zu gehen. (...) Die meisten Menschen möchten zu Hause sterben. Daher bedarf es einer flächendeckenden Förderung einer spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) in vernetzten Teams aus Ärzteschaft, Pflegekräften, Psychologinnen und Psychologen, Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten, Seelsorgenden, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern und ehrenamtlich Helfenden, um den Sterbenden und ihren Angehörigen den Abschied vom Leben zu erleichtern. (...) Der neue § 217 StGB muss wieder abgeschafft werden. Die Strafandrohung für die Beihilfe zur Selbsttötung eines Schwerkranken schafft eine erhebliche Grauzone für Palliativmediziner, beeinträchtigt das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient und verletzt das Selbstbestimmungsrecht als Kern der Menschenwürde. Das ärztliche Standesrecht unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland teilweise stark. Daher fordern wir eine bundeseinheitliche Regulierung, unter welchen Umständen die ärztliche Assistenz bei der Selbsttötung sanktionsfrei ist."

Situation pflegender Angehöriger

CDU/ CSU

"Mit einer umfassenden Reform der Pflegeversicherung haben wir Demenzkranken endlich einen gleichberechtigten Zugang zu allen Leistungen eröffnet und verstärken insbesondere die Unterstützung am Beginn einer Pflegebedürftigkeit. Dadurch stärken wir die pflegenden Angehörigen. Diesen Weg gehen wir weiter. (...) Der weitere Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen verlangt Anstrengungen aller Beteiligten, um flächendeckend ein vielfältiges Versorgungsangebot sicherstellen zu können. Daher werden wir eine „Konzertierte Aktion Pflege“ ins Leben rufen. (...) Wir wollen die Möglichkeiten der Rehabilitation zur Erhaltung der Selbstständigkeit stärker nutzen, entsprechende Angebote ausbauen und die Zusammenarbeit der Sozialversicherungsträger in diesem Bereich verbessern. Den Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung treiben wir entschlossen voran."

SPD

"Wir führen die Familienarbeitszeit für Pflegende ein. So ermöglichen wir Menschen, die Familienmitglieder pflegen, eine Freistellung von der Arbeit mit Lohnersatzleistung: Pflegende Angehörige können ihre Arbeitszeit für bis zu drei Monate ganz oder zum Teil reduzieren und erhalten in dieser Zeit eine Lohnersatzleistung, die sich in Höhe und Umfang am Elterngeld orientiert. Wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darüber hinaus länger ihre Arbeitszeit für die Pflege von Angehörigen verringern möchten, erhalten sie das Familiengeld für Pflege. Es beträgt 150 Euro monatlich und wird für Beschäftigte gezahlt, die 75 Prozent bis 90 Prozent der jeweiligen regulären Vollzeit arbeiten; das entspricht je nach betrieblicher bzw. tarifvertraglich geltender Vollzeit 26 bis 36 Wochenstunden."

Bündnis 90 / Die Grünen

"Wenn nahestehende Menschen pflegebedürftig werden, müssen viele Dinge geregelt werden. (...) Das wollen wir erleichtern: Mit der PflegeZeit Plus gibt es erstmals einen Lohnersatz für die Zeit der Pflege. Für drei Monate ersetzen wir Menschen, die Angehörige selbst pflegen, ihren Lohn, genauso wie für Eltern in der Elternzeit. Zudem sollen sich Pflegende zehn Tage im Jahr freinehmen können, um sich besonders intensiv um eine zu pflegende Person zu kümmern. Ganz so, wie sich Eltern freinehmen können, wenn ihr Kind krank ist. Wir finden, wer für einen pflegebedürftigen Menschen Verantwortung übernimmt, hat unsere Unterstützung und Wertschätzung verdient. (...) Das kombinieren wir mit mehr entlastenden Angeboten wie Betreuung, einer umfassenden ambulanten Pflege und Betreuung."

Finanzierung

CDU/ CSU

"Unser Gesundheitswesen hat sich mit der freiberuflichen Ärzteschaft, seiner Selbstverwaltung und mit seinen gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen bewährt. Die Einführung einer sogenannten Bürgerversicherung lehnen wir ab."

SPD

"Der medizinische Fortschritt soll wieder gemeinsam von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert werden. Und wir sorgen dafür, dass sich Bürgerinnen und Bürger darauf verlassen können, unabhängig von Einkommen und Wohnort die beste medizinische und pflegerische Versorgung zu bekommen. Dafür schaffen wir eine Bürgerversicherung, in die alle einzahlen und durch die alle die notwendigen medizinischen Leistungen bekommen. (...) Wir wollen alle Bürgerinnen und Bürger auf die gleiche Weise versichern. Ziel ist die paritätische Bürgerversicherung. (...) Auch in der Pflege soll es die Bürgerversicherung geben. Wir wollen Bürgerinnen und Bürger besser gegen Pflegerisiken absichern."

Bündnis 90 / Die Grünen

"Wir GRÜNE wollen die gesetzliche und private Krankenversicherung zu einer Bürger*innenversicherung weiterentwickeln. (...) Alle Bür ger*innen, auch Beamt*innen, Selbständige und Gutverdienende, beteiligen sich. Auf Aktiengewinne und Kapitaleinkünfte werden ebenfalls Beiträge erhoben. Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen übernehmen wieder jeweils die Hälfte des Beitrags und die bisher allein von den Arbeitnehmer*innen getragenen Zusatzbeiträge werden wieder abgeschafft. (...) Schließlich wollen wir auch die Pflegeversicherung zu einer Bürger*innenversicherung machen und so langfristig ausreichend finanzieren."

Die Linke

"Wir setzen auf eine solidarische Gesundheitsversicherung, in die alle einzahlen. (…) Der Zwei-Klassen- Medizin stellen wir unser Modell einer Solidarischen Gesundheitsversicherung entgegen. Wir wollen, dass alle in Deutschland lebenden Menschen Mitglied der Solidarischen Gesundheitsversicherung werden, auch die derzeit Privatversicherten. (...) So kann der Beitragssatz von derzeit durchschnittlich 15,7 Prozent (2017) dauerhaft auf unter zwölf Prozent abgesenkt werden, ohne Leistungen zu kürzen. (...) Wir wollen eine Pflegevollversicherung, die alle pflegebedingten Leistungen umfasst. Menschen mit Pflegebedarf und ihre Familien müssen keine Eigenanteile zahlen. Die Förderung der privaten Pflegevorsorge – der sogenannte Pflege-Bahr – wird eingestellt."

FDP

"Wir Freie Demokraten stehen für Eigenverantwortung und Solidarität im Gesundheitssystem, indem die Wahlfreiheit des Versicherten durch Kassenvielfalt gewährleistet ist. Dazu setzen wir uns neben einer starken privaten Krankenversicherung (PKV) auch für eine freiheitliche gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ein. Einer als „Bürgerversicherung“ getarnten staatlichen Zwangskasse erteilen wir eine klare Absage."

Aussagen zur 24h Betreuung

SPD

"Bei der Pflege in der Familie werden immer häufiger Dienstleistungen wie eine Haushaltshilfe in Anspruch genommen. Eine besondere Herausforderung stellen Arbeitsverhältnisse dar, in denen eine 24 Stunden-Pflege und -Betreuung im Haushalt realisiert wird. Hier wollen wir Alternativen entwickeln. Die bereits bestehende staatliche Unterstützung werden wir auf dieses Ziel hin ausrichten. Uns ist wichtig, dass staatliche Förderung an die soziale Absicherung der Beschäftigten gekoppelt ist. Um Hilfe- und Unterstützungsangebote gut aufeinander abstimmen zu können, muss die Beratung über die zur Verfügung stehenden Pflegeleistungen verbessert werden."

Eine Einschätzung von Prof. Dr. Arne Petermann

"Es ist gut, dass alle derzeit im Bundestag vertretenen Parteien sowie die FDP das Thema Pflege ernst nehmen und weitere Verbesserungen für die kommende Legislaturperiode versprechen. Noch besser wäre es, wenn sich die Parteien auch um die Situation in der sogenannten 24h Betreuung kümmern würden. Ich finde es bedauerlich, dass dieses Thema nur in das Wahlprogramm der SPD Eingang gefunden hat.

In über 200.000 Haushalten in Deutschland werden hilfsbedürftige Senioren durch Betreuungspersonen in häuslicher Gemeinschaft versorgt- damit hat sich diese Versorgungsform inzwischen als feste Säule neben der ambulanten Versorgung und dem stationären Sektor etabliert.

Ich wünsche mir, dass die Politik den Mut aufbringt, diese Versorgungsform mit verbindlichen Qualitätskriterien auch im Sozialgesetzbuch zu verankern und für die betroffenen Menschen tragfähige Finanzierungskonzepte zu entwickeln."

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