Modelle der 24 Stunden Pflege

Es gibt verschiedene Modelle der 24-Stunden-Betreuung, die sich in ihren rechtlichen Rahmenbedingungen, Kosten und dem organisatorischen Aufwand für die Familie unterscheiden.
Rechtsanwalt Frederic Seebohm (Geschäftsführer des VHBP e.V.) und Prof. Dr. Arne Petermann (Gründer und Geschäftsführer von Linara) haben zur rechtlichen Einordnung der verschiedenen Modelle einen Artikels für das Berliner Anwaltsblatt verfasst und dabei die Unterschiede bei Vertragsgestaltung, Kosten, Verantwortlichkeiten und der Rolle der Familie für jedes Modell detailliert erläutert. Der Artikel wurde am 29.11.2019 im Berliner Anwaltsblatt (Ausgabe 11/2019) mit dem Titel "Betreuung in häuslicher Gemeinschaft (sog. 24-Stunden-Betreuung) - Stolperfallen in arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht" veröffentlicht.

Auf Grundlage dieses Artikels stellen wir Ihnen im Folgenden die unterschiedlichen Modelle der 24-Stunden-Betreuung vor. Ziel ist es, dass Sie sich einen umfassenden Überblick verschaffen und die Vor- und Nachteile jedes Modells vergleichen können. Die von uns formulierten Empfehlungen helfen Ihnen dabei, nachzuvollziehen, warum wir bei Linara eines dieser Modelle klar favorisieren.
Die drei gängigsten Modelle der 24-Stunden-Betreuung sind:
Selbstständigenmodell
Beim Selbständigenmodell beauftragt die Familie eine Vermittlungsagentur mit der Suche nach einer Betreuungsperson. Häufig arbeitet diese Agentur mit verschiedenen Unternehmen in Osteuropa zusammen, die den Kontakt zu Betreuungspersonen aus EU-Ländern herstellen, die auf selbstständiger Basis in Deutschland arbeiten möchten. Bei Linara hingegen bestehen direkte Kontakte zu einer Vielzahl von selbständigen Betreuungspersonen, die für eine Zusammenarbeit in Frage kommen. Die Familie schließt zusätzlich zu dem Vermittlungsvertrag mit der Agentur einen Betreuungsvertrag mit der selbständigen Betreuungsperson. Rechtliche Grundlage für dieses Modell ist die EU-Dienstleistungsfreiheit. Die selbstständigen Betreuungspersonen haben in Deutschland ein Gewerbe angemeldet und unterliegen damit den hiesigen gewerbe- sowie steuerrechtlichen Ordnungsvorschriften.
Beurteilung von Rechtsanwalt Frederic Seebohm und Prof. Dr. Arne Petermann
"Vorteilhaft für die Familie ist die Kostentransparenz und die direkte Beauftragung der Betreuungsperson durch die Familie, sodass alle Anforderungen direkt vor Ort geklärt werden können, was Vermittlungs- und Transaktionskosten minimiert. Empfohlen wird der Nachweis einer Gewerbeanmeldung, Krankenversicherung und Betriebshaftpflichtversicherung, die bei seriösen Anbietern vorliegt."
Unsere Empfehlung: Dieses Modell gewinnt für die Betreuungspersonen zunehmend an Attraktivität und ist für Verbraucher ein sehr praktikables Modell, da es bei den Verträgen mit den Selbständigen nicht die Schwierigkeit der Vergütung von Bereitschaftszeiten gibt. Wichtig ist bei diesem Modell die Auswahl einer seriösen Vermittlungsagentur, damit die korrekte Anmeldung und rechtssichere Organisation der Gewerbetätigkeit gewährleistet ist.
Entsendemodell
Dieses Modell besteht seit 2004 aufgrund der Dienstleistungsfreiheit innerhalb der EU und gilt daher nur für Personen mit Wohnsitz in einem EU-Staat. Die Familie beauftragt dabei eine Vermittlungsagentur mit der Suche nach einer Betreuungsperson. Die Agentur arbeitet mit einem oder mehreren Entsendeunternehmen in Osteuropa zusammen, die Betreuungspersonen beschäftigen und nach Deutschland entsenden. Die vermittelten Betreuungspersonen sind in ihrem Heimatland tätig und entrichten dort Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Dies wird durch einen Sozialversicherungsnachweis wie z. B. das europäische Formblatt A1 dokumentiert.
Beurteilung von Rechtsanwalt Frederic Seebohm und Prof. Dr. Arne Petermann
"[...] Polnische Entsendeuntrnehmen, die aktuell den legalen Markt dominieren entsenden jedoch i.d.R. keine klassischen Mitarbeiter, sondern freie Mitarbeiter. Der hier in Polen verwendete Dienstvertrag "umowa zlecenie" ähnelt dem arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen, wie er in Deutschland in § 2 SGB VI geregelt ist. Bekannte rechtswidrige Umgehungsversuche in der Entsendung weisen Arbeitsverträge oder Werkverträge mit einer extrem niedrigen Stundenzahl (z.B. 20 Stunden pro Woche) aus, um Sozialabgaben zu minimieren [...]."
Arbeitgebermodell
Beim sogenannten Arbeitgebermodell schließt die Familie mit der Betreuungsperson ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis und wird somit zum Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten. Neben dem Verwaltungsaufwand bedeutet dies vor allem, dass die Familien die volle Verantwortung eines Arbeitgebers tragen und z. B. für die korrekte Abführung der Sozialversicherungsbeiträge, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsanspruch oder Mutterschutz sorgen müssen. Bei Verstoß gegen die Arbeitgeberpflichten drohen strafrechtliche Konsequenzen.
Beurteilung von Rechtsanwalt Frederic Seebohm und Prof. Dr. Arne Petermann
"Dieses Modell wird als einziges von der Agentur für Arbeit sowie der Caritas und Diakonie empfohlen, obwohl eine zeitlich intensive und i.d.R. mit umfassenden Bereitschaftszeiten verbundene "24-Stunden-Betreuung" nicht in Einklang mit dem deutschen Arbeitsrecht zu bringen ist [...]. Spätestens nach der jüngsten Rechtsprechung, nach der auch Bereitschaftszeit voll mit Mindestlohn zu vergüten ist [...] und Arbeitszeit und somit auch Bereitschaftszeit aufzeichnungspflichtig sind[...], ist dieses Modell rechtlich sauber kaum noch umsetzbar."
Checkliste: Betreuung in häuslicher Gemeinschaft
Als Gründungsmitglied des Verbandes für häusliche Betreuung und Pflege e.V. (VHBP) setzt sich Linara dafür ein, dass einheitliche Qualitätsstandards für die Betreuung in häuslicher Gemeinschaft entwickelt werden. In diesem Zusammenhang haben wir eine Checkliste erarbeitet, mit deren Hilfe Familien seriöse und legal arbeitende Anbieter der sogenannten 24-Stunden-Pflege erkennen können und eine legale Dienstleistung erhalten.
Warum ist die bewusste Auswahl eines Anbieters so wichtig?
- Der Gesetzgeber definiert keine Qualitätsstandards oder Zulassungsbedingungen für Anbieter.
- Familien wissen meist nicht worauf zu achten ist und müssen sich vom „Bauchgefühl“ leiten lassen.
- Es gibt sehr viele Anbieter, die auf den ersten Blick oft nur schwer zu unterscheiden sind.
Woran erkannt man seriöse Anbieter?
- Deutschsprachige fachkompetente Ansprechpartner und Erreichbarkeit im Notfall auch an Wochenenden
- Kostenfreie und detaillierte Bedarfsanalyse
- Positive Bewertungen auf Vergleichsplattformen und in unabhängigen Tests (z. B. Stiftung Warentest)
- Proaktive Zusammenarbeit mit Pflegediensten, Krankenhäusern und anderen Akteuren
- Weiterbildungsangebote für Betreuungspersonen und Fachberater für Betreuung in häuslicher Gemeinschaft
- Mitgliedschaft in einem Branchenverband, bspw. Verband für häusliche Betreuung und Pflege e.V.
Was macht eine legale und faire Vertragsgestaltung?
- Die Behandlungspflege muss ausgeschlossen sein und durch einen ambulanten Pflegedienst erfolgen.
- Kurze Kündigungsfristen (1-2 Wochen), insb. im Todesfall.
- Klare Haftungsregelungen (bspw. zur Betriebshaftpflicht)
- Laufende Kosten müssen transparent dargestellt und tagesgenau berechnet werden.
- Vor Vertragsabschluss sollte der telefonische Kontakt mit der Betreuungsperson möglich sein.
- Zusätzlich zum Betreuungsvertrag sollte ein Vermittlungsvertrag mit dem Anbieter abgeschlossen werden.