Modelle der 24 Stunden Pflege

Die Betreuung in häuslicher Gemeinschaft  - oft auch 24 Stunden Pflege genannt - ist neben der ambulanten und stationären Pflege zum unverzichtbaren Teil der Versorgung von älteren Menschen in Deutschland geworden. Nach Angaben des Verbandes für häusliche Betreuung und Pflege (VHBP e.V.) werden mittlerweile 250.000 bis 300.000 Menschen durch osteuropäische Betreuungspersonen in der eigenen Häuslichkeit versorgt.

Wir möchten Ihnen nachfolgend einen Überblick über die Modelle in der sogenannten 24 Stunden Betreuung von Senioren im eigenen Zuhause geben.

Rechtsanwalt Frederic Seebohm und Prof. Dr. Arne Petermann (Gründer und Geschäftsführer von Linara sowie Professor für Managment im Gesundheitswesen an der Berufsakademie für Gesundheits- und Sozialwesen Saarland) haben zur rechtlichen Betrachtung der einzelnen Modelle eine Einschätzung verfasst.

Selbstständigenmodell

Eine Familie beauftragt eine Vermittlungsagentur mit der Suche nach einer Betreuungsperson. Die Agentur arbeitet mit verschiedenen Unternehmen in Osteuropa zusammen, die den Kontakt zu Betreuungspersonen aus EU-Ländern herstellen, die auf selbstständiger Basis in Deutschland arbeiten möchten. Rechtliche Grundlage ist die EU-Dienstleistungsfreiheit. Die selbstständigen Betreuungspersonen haben in Deutschland ein Gewerbe angemeldet und unterliegen damit den hiesigen gewerbe- sowie steuerrechtlichen Ordnungsvorschriften.

  • Rolle der Familie: Auftraggeber
  • Vertragspartner der Familie: Vermittlungsagentur & Betreuungsperson
  • Vertragserstellung durch: Vermittlungsagentur
  • Arbeitgeber der Betreuungsperson: kein Arbeitgeber, Betreuungsperson ist selbstständig
  • Versicherungsverantwortlicher: Betreuungsperson (Linara gewährleistet für die Betreuungspersonen Kranken-, Unfall- und Gewerbehaftpflichtversicherung)
  • Organisationsaufwand für Familie: gering
  • Kommunikation mit Behörden und Betreuungsperson: durch Vermittlungsagentur
  • Unterstützung der Familie (z.B. Krankheit Betreuungsperson): durch Vermittlungsagentur
  • Kosten: > 2.000 € pro Monat
  • Kündigungsfrist: 14 Tage (bei Linara)
Beurteilung von Rechtsanwalt Frederic Seebohm und Prof. Dr. Arne Petermann

"Vorteilhaft für die Familie ist die Kostentransparenz und die direkte Beauftragung der Betreuungsperson durch die Familie, sodass alle Anforderungen direkt vor Ort geklärt werden können, was Vermittlungs- und Transaktionskosten minimiert. Empfohlen wird der Nachweis einer Gewerbeanmeldung, Krankenversicherung und Betriebshaftpflichtversicherung, die bei seriösen Anbietern vorliegt."

Unsere Empfehlung: Dieses Modell gewinnt für die Betreuungspersonen zunehmend an Attraktivität und ist für Verbraucher ein sehr praktikables Modell. Wichtig ist auch hier die Auswahl eines seriösen Vermittlers, damit die korrekte Anmeldung und rechtssichere Organisation der Gewerbetätigkeit gewährleistet ist.

Entsendemodell

Dieses Modell besteht seit 2004 aufgrund der Dienstleistungsfreiheit innerhalb der EU und gilt daher nur für Personen mit Wohnsitz in einem EU-Staat.  Eine Familie beauftragt eine Vermittlungsagentur mit der Suche nach einer Betreuungsperson. Die Agentur arbeitet mit verschiedenen Entsendeunternehmen in Osteuropa zusammen, die Betreuungspersonen beschäftigen und nach Deutschland entsenden. Die vermittelten Betreuungspersonen sind in ihrem Heimatland tätig und entrichten dort Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Dies wird durch einen Sozialversicherungsnachweis wie z. B. das europäische Formblatt A1 dokumentiert.

  • Rolle der Familie: Auftraggeber
  • Vertragspartner der Familie: Vermittlungsagentur & Entsendeunternehmen
  • Vertragserstellung durch: Vermittlungsagentur & Entsendeunternehmen
  • Arbeitgeber der Betreuungsperson: Entsendeunternehmen
  • Versicherungsverantwortlicher: Entsendeunternehmen gewährleistet die notwendigen Versicherungen für die Betreuungspersonen 
  • Organisationsaufwand für Familie: gering
  • Kommunikation mit Behörden und Betreuungsperson: durch Vermittlungsagentur
  • Unterstützung der Familie (z.B. Krankheit + Urlaub der Betreuungsperson): durch Vermittlungsagentur
  • Kosten: > 2.000 € pro Monat
  • Kündigungsfrist: 14 Tage (bei Linara)
Beurteilung von Rechtsanwalt Frederic Seebohm und Prof. Dr. Arne Petermann

"[...] Polnische Entsendeuntrnehmen, die aktuell den legalen Markt dominieren entsenden jedoch i.d.R. keine klassischen Mitarbeiter, sondern freie Mitarbeiter. Der hier in Polen verwendete Dienstvertrag "umowa zlecenie" ähnelt dem arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen, wie er in Deutschland in § 2 SGB VI geregelt ist. Bekannte rechtswidrige Umgehungsversuche in der Entsendung weisen Arbeitsverträge oder Werkverträge mit einer extrem niedrigen Stundenzahl (z.B. 20 Stunden pro Woche) aus, um Sozialabgaben zu minimieren [...]."

Unsere Empfehlung: Dieses Modell ist im Markt der Betreuung in häuslicher Gemeinschaft sehr verbreitet – es ist rechtskonformes Modell im Rahmen der EU-Gesetzgebung und hat sich in der Praxis bisher bewährt. Verbraucher sollten bei der Wahl der Vermittlungsagentur auf einen professionellen Anbieter achten, zu erkennen u.a. an der Mitgliedschaft in einem Branchenverband (z.B. VHPB e.V.).

Arbeitgebermodell

Eine Familie schließt mit der Betreuungsperson ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis und wird somit zum Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten. Neben dem Verwaltungsaufwand bedeutet dies vor allem, dass die Familien die volle Verantwortung eines Arbeitgebers tragen und z. B. für die korrekte Abführung der Sozialversicherungsbeiträge, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsanspruch oder Mutterschutz sorgen müssen. Bei Verstoß gegen die Arbeitgeberpflichten drohen strafrechtliche Konsequenzen.

  • Rolle der Familie: Arbeitgeber
  • Vertragspartner der Familie: Betreuungsperson
  • Vertragserstellung durch: Familie
  • Arbeitgeber der Betreuungsperson: Familie
  • Versicherungsverantwortlicher: Familie gewährleistet alle notwendigen Versicherungen für die Betreuungsperson
  • Organisationsaufwand für Familie: sehr hoch
  • Kommunikation mit Behörden und Betreuungsperson: Familie ist verantwortlich
  • Unterstützung der Familie (z.B. Krankheit + Urlaub der Betreuungsperson): ggf. durch unterstützende Agentur
  • Kosten: je nach Arbeitsvertrag
  • Kündigungsfrist: gemäß deutschem Arbeitsrecht
    Weitere Informationen
Beurteilung von Rechtsanwalt Frederic Seebohm und Prof. Dr. Arne Petermann

"Dieses Modell wird als einziges von der Agentur für Arbeit sowie der Caritas und Diakonie empfohlen, obwohl eine zeitlich intensive und i.d.R. mit umfassenden Bereitschaftszeiten verbundene "24-Stunden-Betreuung" nicht in Einklang mit dem deutschen Arbeitsrecht zu bringen ist [...]. Spätestens nach der jüngsten Rechtsprechung, nach der auch Bereitschaftszeit voll mit Mindestlohn zu vergüten ist [...] und Arbeitszeit und somit auch Bereitschaftszeit aufzeichnungspflichtig sind[...], ist dieses Modell rechtlich sauber kaum noch umsetzbar."

Unsere Empfehlung: Dieses Modell ist für viele Verbraucher aufgrund der rechtlich komplexen Anforderungen sowie zusätzlicher Kosten beispielsweise durch Steuerberatung und Lohnabrechnung nicht praktikabel und damit nicht empfehlenswert. Nur korrekt umsetzbar für ausgewählte Betreuungssituationen, in denen bspw. Bereitschaftszeiten in der Nacht ausgeschlossen werden können.

Diese Einschätzung von Prof. Dr. Arne Petermann (Gründer und Geschäftsführer von Linara - Betreuung zu Hause) und Rechtsanwalt Frederic Seebohm wurde am 29.11.2019 im Berliner Anwaltsblatt (Ausgabe 11/2019) mit dem Titel "Betreuung in häuslicher Gemeinschaft (sog. 24-Stunden-Betreuung) - Stolperfallen in arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht" veröffentlicht.

Als Gründungsmitglied des Verbandes für häusliche Betreuung und Pflege e.V. (VHBP) setzt sich Linara dafür ein, dass einheitliche Qualitätsstandards für die Betreuung in häuslicher Gemeinschaft entwickelt werden. In diesem Zusammenhang haben wir eine Checkliste erarbeitet, mit deren Hilfe Familien seriöse und legal arbeitende Anbieter der sogenannten 24-Stunden-Pflege erkennen können und eine legale Dienstleistung erhalten.

Checkliste zum Download